Faust als Alchemist

In der Szene »Vor dem Tor« wird Faust vor allem als Arzt und Alchemist gezeigt. Während einer Pestepidemie hatte er gemeinsam mit seinem Vater versucht, ein Medikament gegen die Pest zu finden, die von der Seuche Befallenen zu heilen. Die alchemistischen Versuche der beiden hatten jedoch nicht den erwünschten, sondern einen gegenteiligen Effekt: Die im Laboratorium hergestellte 'Medizin' forderte mehr Opfer als die Pest selbst.

Der Alchimist, ca. 1780Neben dem Wissen um Beschaffenheit und Wirkung der Kräuter war die Alchemie die zweite Grundlage der Medizin der Renaissance. (351) Die in Rückblicken eingebrachte Biographie Fausts macht deutlich, daß Paracelsus teilweise, nach Agnes Bartscherer sogar "als bedeutendstes Vorbild" (352), Pate für die Figur 'Faust' bei Goethe gestanden hat. (353) So spielte der Einfluß des Vaters eine wichtige Rolle für Paracelsi 'Karriere' als Mediziner, gleichsam war Fausts Vater wohl dessen Lehrer. Bartscherer weist besonders auf den Zusammenhang zwischen Paracelsi Heimat, der Schweiz, und der Umgebung in der Szene »Vor dem Tor«, einem Gebirge, hin. (353a) Kurt Goldammer, der sich in Der göttliche Magier mit Magie und Zauberei in Paracelsi Werken beschäftigt, kommt zu dem Ergebnis, daß das Bild des "Zauberers und Schwarzkünstlers Paracelsus" (354) ein falsches sei, das Zeitgenossen sowie die Literatur nach Paracelsus erschaffen haben. Nicht zuletzt habe dazu auch Goethes Faust beigetragen. (355) Er folgt Agnes Bartscherer in ihrer Beurteilung der Bedeutung von Paracelsus für Goethes Faust. Auch Ulrich Gaier weist an vielen Stellen auf paracelsisches Gedankengut im Urfaust hin.

Der Vater Fausts wird in der Szene »Vor dem Tor« dargestellt als "dunkler Ehrenmann" (356), also als ein ehrenhafter, aber dennoch in Verruf stehender Magier, (357) der mit Hilfe der magia naturalis (358) in der "schwarze[n Alchemisten-]Küche" (359) experimentiert. Die alchemistischen Begriffe wie "roter Leu", "Lilie", "junge Königin" (360) dienten den Alchemisten zur Verschlüsselung ihrer Texte, um sie vor unbefugten Lesern zu schützen. (361) Das Handwörterbuch des Aberglaubens erläutert die Verschlüsselung alchemistischer Texte sogar mit einem Beispiel aus Faust:

Sehr beliebt war auch die allegoristische Darstellung alchemistischer Vorgänge, wofür als bekanntestes Beispiel die Osterspaziergangsstelle im Faust anzuführen ist. (361a)

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